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Wir hätten mehr Kaffee trinken müssen…

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Ganz seriöslich Kaffee trinken!
Bild: coffee_circle CC-BY

Die Wahlen sind vorbei. Die Piraten haben ihre Niederlagen eingefahren. Es wird also Zeit dafür, zu überlegen, woran es denn lag. Andere haben ihre Einschätzung in die Welt gestellt, ich noch nicht. Ich versuche mich hier an einer Analyse woran es den liegen kann, dass die Piraten derzeit eine Zwei-Prozent-Partei sind und was wir machen müssten, um diesen Umstand zu überwinden.

Ich persönlich werde mich bei dieser Analyse häufig auf den Landesverband Bayern Bezug nehmen, aber mit einem Blick aus der Ferne scheint mir, dass die Probleme im Bundesverband durchaus ähnlich gelagert, wenn nicht sogar noch zutreffender sind. Das ganze hier ist ein Rundumschlag, gepfeffert mit dem Notwendigen, damit wir in 4-5 Jahren so da stehen, dass die 5% ernsthaft in greifbarer Nähe ist, auch dann, wenn wir nicht gerade in einer Hypephase sind. Nicht alle dieser Schlussfolgerungen müssen zwanghaft umgesetzt werden, denn sie bieten durchaus auch Nachteile. Wir Piraten werden uns die Frage stellen müssen, ob wir diese hinnehmen oder ob wir als Zwei-Prozent-APO nicht glücklicher sind.

Gestern fragte mich ein Kollege beim Essen, warum wir Piraten meiner Meinung nach an der 5% Hürde so deutlich scheiterten. Ich erklärte ihm locker fünf Minuten lang die Probleme unserer Partei und endete mit einem Satz.

Wir hätten mehr Kaffee trinken müssen.

Aber fangen wir doch mal am Anfang an. Prinzipiell gibt es im Groben 3 Punkte, die eine Partei ausmachen und die Gründe sind, warum Menschen überhaupt bereit sind diese Partei zu wählen:

1 a) Programm

1 b) Image

1 c) Personal

Diese Punkte machen das Wählerpotential einer Partei aus. Wie gut das Potential dann in den Wochen vor der Wahl ausgeschöpft werden kann, hängt stark von ihrer Kampagnenfähigkeit ab. Diese setzt sich ungefähr aus folgenden Punkten zusammen:

2 a) Engagierte Mitglieder

2 b) Geld

2 c) (Wahlkampf-)Erfahrung

2 d) Eine schlagfähige Öffentlichkeitsarbeit

2 e) Eine Kampagne

So viel zu offenkundigen Selbstverständlichkeiten und allgemeinem Grundwissen. Schauen wir uns erst die Kampagnenfähigkeit der Piraten an und analysieren die einzelnen Punkte.

a) Engagierte Mitglieder hatten wir. Sicher, hätten mehr sein können, vor allem wenn man bedenkt, dass wir 3 Wahlen gleichzeitig hatten. Aber prinzipiell scheinen wir hier besser dazu stehen als andere Parteien. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen gezielt in einigen Regionen auf die Bezirkstagswahl zu verzichten um Ressourcen freizuschaufeln. Aber wirklich Wahlentscheidend wäre das nicht gewesen.

b) Geld: Fehlt, in Massen. Wenn ich mir überlege, dass die Alternative für Deutschland wohl 2,5 Millionen für den Wahlkampf hatte, die Piraten aber nur 500 000 bundesweit sieht man deutlich, dass wir schlicht zu wenig Geld haben. Leider unterschätzen wir Piraten unseren Geldbedarf ständig. Wir mahnen unsere Mitglieder nur marginal, zu spät und die Ein-Prozentregelung der Satzung lassen wir regelmäßig unter den Tisch fallen. Wir bitten eher selten um Spenden. Eine Zahlerquote von 50% würde allein in Bayern fast 95 000 € bedeuten, die im Landesverband verblieben wären. Das ist mehr als unsere Spendenplattform Piratestarter an Wahlkampfspenden vermeldet. Darüber hinaus scheint mir das Verteilen der Gelder nach dem Gießkannenprinzip nach unten nicht mehr angemessen. Während in aktiven Regionen das Geld fehlte, lag es in inaktiven auf dem Konto herum. Wir müssen hier bessere Lösungen finden.

Wollen wir zukünftig mit den anderen Parteien mithalten, dann müssen wir dringend mehr Einnahmen generieren, unsere Mitglieder zum Spenden animieren und unsere Verwaltung in dem Punkt zum Laufen bekommen. Das wissen wir jetzt auch seit Jahren. Wir sollten mal Lack machen. Darüber hinaus müssen wir dringend überlegen, ob wir unser schmales Geld richtig ausgeben. Ich persönlich würde aus Sicht des Landesverbandes die Landesgeschäftsstelle zur Disposition stellen und das freigewordene Geld in die Verwaltung und in Öffentlichkeitsarbeit stecken – und zwar auch zwischen den Wahlen.

c) Wahlkampferfahrung war in Teilen sicher vorhanden, hatten wir doch einige Bundestagswahlerfahrene und Leute die in anderen Landesverbänden mit Wahlkampf gemacht haben. Gefehlt hat sicherlich im Landtagswahlkampf die übliche Hilfe aus anderen Landesverbänden. Mit mehr Hilfe hätten wir sicher etwas mehr reißen können. Vor allem das Verteilen von Werbematerialen hat regional unterschiedlich geklappt.

d) Eine schlagfertige Öffentlichkeitsarbeit fehlt nahezu auf allen Ebenen dieser Partei. Man soll es kaum glauben, aber die Piraten versagen bei der Kernaufgabe einer Partei sich öffentlich darzustellen. Die Pressearbeit ist oft zu langsam und inspirationslos. Die des Bundes schreibt totlangweile Pressemitteilungen, ist manchmal extra langsam und bereitet die Meldungen nicht für das Web auf. Dabei werden unsere Perssemitteilungen eher selten aufgegriffen und unsere Hauptreichweite sind unsere Hompages und vor allem unsere Social-Media-Kanäle.

Die Pressearbeit im Landesverband war nicht sehr aktiv und hat wenig Eigeninitiative gezeigt – die Kandidaten haben sich äußerst selten dort gemeldet mit eigenen Themen und PMs, hatten also ebenfalls keine Eigeninitiative. Irgendjemand muss aber Eigeninitiative, sonst geht nichts voran. Die Verantwortlichkeit für den ersten Schritt ein Thema zu besetzen scheint entweder nicht definiert oder nicht breit kommuniziert zu sein.

Vor Ort greifen Piraten viel zu selten lokale Themen auf und nutzen sie kreativ um sich so für die Lokalzeitung relevant zu machen. Mir scheint vor allem, dass wir in der Breite mit Pressevertretern kaum vernetzt sind und dies auch nicht als Problem wahrgenommen wird. Allzu oft erwartet man, dass die Presse uns von alleine interessant findet, einfach weil wir Partei sind. Ohne Fraktion oder gute Umfragewerte sind wir aber nicht relevant. Wir müssen daher was Gutes anbieten um interessant zu werden. Andere zu kopieren die relevanter sind als wir, reicht nicht.

Nicht viel besser sieht es auf den Social Media-Kanälen oder unseren Webseiten aus. Wir starten Portale zur Wahl anstatt naheliegende URLs zu verwenden. Das müssen wir dringend ändern. In Zukunft muss klar http://piratenpartei.de oder die entsprechenden Seiten der Landesverbände die Wahlkampfseiten sein. Dort suchen die Menschen zuerst, diese URLs sind durch häufige Verlinkung für google und bekannt relevant.

Wir veröffentlichen Videos über 20 verschiedene Youtube-Channels, statt einen gemeinsamen zu verwenden. Geniale Aktionen vor Ort werden über persönliche Twitteraccounts geshared statt zentralen Accounts die Gelegenheit zu geben, die Quelle eines guten Bildes zu sein. Als Beispiele sind hier die Videos von Bruno Kramm oder aus Mittelfranken genannt. So haben wir viele Kanäle, die aber meist nicht aus unserer Filterbubble herausbrechen. Bisher schafft dies, wenn ich meinen Statistiken trauen kann, hauptsächlich die Social Media Accounts einiger weniger Piraten und vor allem die des Landesverbandes. Zukünftig müssen wir genau die des Landesverbandes mehr füttern und es muss klar sein: Wir werden schlagfertiger werden, wir nicht 30 Anlaufstellen definieren, 500 Blogs zum Posten verwenden, sondern unsere Politik über wenige, dafür gut beworbene und reichweitenstarke Kanäle nach außen Kommunizieren.

Diese Einsicht muss innerparteilich ankommen, geteilt und vermittelt werden. Nur wenn von “unten” automatisch Informationen frühzeitig kommen, kann eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit funktionieren.

Ein Problem ist auch, dass wir in diesen Bereich bisher kein Geld stecken. Weder die Pressestelle noch die Social Media-Stelle hat ein nennenswertes Budget. Dabei zeigte gerade die AfD, welche Erfolge man mit Internetwerbung erzielen kann. Wir müssen weg kommen von der Vorstellung, das Web gehört eh uns und es läuft dort schon von alleine. Ich Persönlich bin mir dieser Tatsache schon länger bewusst, habe mich aber lange nicht getraut nach einem Budget für Facebookwerbung oder Google Ads zu fragen und hier innerparteiliche Überzeugungsarbeit zu leisten. Das war ein klarer Fehler meinerseits, wie die eingesetzten 250€ von Piratestarter für den Facebookaccount zeigen – denn selbst mit diesem wenigen Geld explodierte der Facebookkanal bereits.

Da wir als unrelevante Gruppe nicht automatisch in die Presse kommen müssen wir in unsere eigenen Kommunikationskanäle dringend investieren, auch außerhalb der Wahlkampfzeit. Gerade auf Facebook kann man mit wenig Geld gute Reichweiten erzielen. Auch mit Werbung auf Google oder Youtube sollten wir experimentieren, know how aufbauen und dort für unsere guten Inhalte endlich werben.

e) Eine Kampagne war in Teilen vorhanden. Wir hatten ein Cooperate Design und daran wurde sich weitestgehend gehalten. Das hat den Wiedererkennungswert erhöht und für ein einheitliches Auftreten gesorgt. Das ist aber nur ein Teil einer Kampagne. Der Rest fehlte sträflich. Wir hatten keinen Claim hinter den man sich Sammeln kann, es fehlte eine übergeordnete Strategie, die einfach Fragen die im Alltag auftauchen auch automatisch beantwortet.

Es war ein Fehler, dem Landesvorstand hier keine Leitlinienkompetenz zu geben und ihre Erfüllung von ihm abzuverlangen. Welcher Amtsträger sich hier hätte vordrängen müssen überlasse ich dem geneigten Leser. Ein Riesenproblem in diesem Wahlkampf war auf jeden Fall, dass alle Fäden bei einem einzigen Landesvorstandsmitglied zusammenliefen und dieses damit knallhart überarbeitet war und gefühlt zu oft alleingelassen wurde.

Die Bezirksvorstände haben dieses Loch nicht füllen wollen oder können. Ein gezieltes koordiniertes Vorgehen war deswegen eher selten vorhanden. Übrigens war die Bundesebene hier auch keine Hilfe. Der Wahlorganisation war sich nicht mal um den Claim des Wahlkampfes einig.

Das obige ist nur ein grober Rundumschlag in die Teilbereiche, welche eine Kampagnenfähigkeit ausmacht. Kurz könnte man sagen, dass wir zwar einige Dinge gut gemacht haben aber an vielen Stellen massiven Verbesserungsbedarf haben. Die einzelnen Punkte der Kampagnenfähigkeiten detailliert zu analysieren und zu verbessern wird die Hauptaufgabe des zukünftigen Vorstandes sein. Wobei ich auf den Hauptgrund, den ich für viele Schwächen ausmache, später eingehen werde.

Kommen wir erst mal zu Punkt 1, denn eine gute Kampagne kann nur Potentiale heben, die mit Punkt 1 geschaffen werden:

1 a) Wahlprogramm: Ich glaube fest daran, dass das Landtagswahlprogramm nicht schlecht war, obwohl einige Flanken fehlten. Soziale Gerechtigkeit und Verkehrspolitik (gerade dort haben wir Kompetenzen) war nur in Teilen vorhanden. Umweltpolitik ebenfalls. Insgesamt hatten wir progressive Standpunkte, die sicherlich breitere Zustimmung finden. Die Inhalte für 5 Prozent waren meiner Meinung da, um das aber im Detail beantworten zu können müssten wir eine wissenschaftliche Studie in Auftrag geben, wie die Bevölkerung zu einzelnen Thesen und Standpunkten steht. Wir werden uns so eine Studie nur bedingt leisten können, leider.

Ein akzeptabler Ersatz darauf könnte eine Auswertung sein, in welchenWahlkreisen im Wahlkampf sich auf Kernthemen beschränkt wurde und wo lokal mehr Themen besetzt wurden, welche Themen dies waren und wie die Ergebnisse im Einzelnen aussahen. Ein grober Blick meinerseits legt die These nahe, dass Kernthemenwahlkampf bei gleichen Potentialen zu eher schlechteren Ergebnissen geführt hat. Eine detaillierte Analyse würde mich interessieren. Ich würde mich an der Arbeit beteiligen.

Ich Vermute eher ein Vermittlungsproblem unserer Inhalte. So habe ich im Wahlkampf Mails bekommen, dass wir unwählbar seien, weil wir keinen Mindestlohn fordern. Sozialpolitik haben wir in Bamberg als Wahlkampfthema z.B. nicht gesetzt. Das halte ich mittlerweile für einen Fehler. Die meisten Menschen haben keine Ahnung wofür die Piraten wirklich stehen – außer vielleicht für irgendwas mit Internet. Ein gutes vollständiges Programm hilft nichts, wenn wir nicht in der Lage sind den Leuten in der Breite mitzuteilen, was drin steht und das wir dort Kompetenzen und Ideen haben. Für eine Vermittlung in die Breite der Gesellschaft muss allerdings vor den Wahlkampf die Grundlage gelegt werden. Eine Wahlkampfkampange kann diese Grundlagen dann nur in Prozente umwandeln, sie aber nur sehr bedingt schaffen.

1 b) Image – verheerend. Lange Zeit haben wir Piraten, gerade in Bayern, darauf gesetzt, dass alles von alleine läuft. Wir drangen in politische Diskurse nicht vor und fielen den Leuten nicht durch Politik, sondern nur durch Personalstreitigkeiten auf. Das Image der streitenden Protestpartei kommt gar nicht gut an. Hätte ich für jeden Menschen der mir am Infostand/Wahlkampf gesagt hat “Ihr hier in Bamberg/Du seit/bist ja ok, aber dein Chaotenhaufen von Partei ist unwählbar” einen Euro bekommen, ich hätte zumindest unser Geldproblem lösen können.

Die Leute nehmen uns nur über Medien war und dort meist nur negativ. Wir müssen beginnen für unsere positiven Dinge Geltungsdrang zu entwickeln. Das ist über die Presse zugegebener Maßen nicht einfach. Aber wie oben beschrieben haben wir auch im Bereich Web nachholbedarf. Wir haben vernachlässigt direkte Kommunikationskanäle aufzubauen und mir ist auch erst im Wahlkampf klar geworden, wie sehr uns das im Wahlkampf fehlte. Unser Image bei den Menschen ist weit schlechter als der Zustand der Partei. Wir müssen daher unbedingt etwas am Image drehen und dabei helfen uns vor allem…

1 c) Personen. „Themen statt Köpfe“ war gestern, diese Einsicht kam bereits glaub ich bei einigen an: Wir brauchen Köpfe, die Themen voranbringen. So funktionieren Gesellschaften und so funktioniert das in unserer Partei auch bereits. Wir können klar einzelne Köpfe benennen, die bei uns als Experten für einzelne Themen gelten. Wir müssen diesen Umstand endlich akzeptieren und in unsere Strategien und unsere Parteistrukturen einweben. Wir haben durchaus zwei bis drei Handvoll fähige Köpfe im Landesverband. MeistExperten in einem Gebiet und eingearbeitet. Das ist ein unglaubliches Potential, das wir leider viel zu selten Abschöpfen, weil es von außen kaum sichtbar ist. Klar, dieser Wahlkampf war ein Anfang, bei dem sich einige Personen profilieren konnten. In Zukunft braucht es aber dafür den Rückenwind der Partei und die klare Unterstützung der Parteistrukturen. Dann können wir bei der nächsten Wahl anfangen zu ernsten, anstatt mit dem Säen zu beginnen.

Denn diesen Köpfen fehlt vor allem eines um ihre Wirkung entfalten zu können: Vernetzung nach außen. Das fehlt der ganzen Partei. Wir haben es sträflich vernachlässigt uns in der Hypephase, als wir interessant waren, in der Breite zu vernetzten. Eigentlich haben sich in dieser Zeit nur zwei Personen im Landesverband nach außen vernetzt. Beide sind aber bis zum Wahlkampf dann ausgefallen. Und mit Ihnen auch ihre Netzwerke. Ein zukünftiger Landesvorstand wird dafür sorgen müssen, dass in Zukunft mehr Piraten hin zur Presse und vor allem anderen Organisationen und Parteien vernetzt sind. NGOs wie zum Beispiel Gewerkschaften werden uns erst dann als kompetente Gesprächspartner wahrnehmen, wenn wir mit denen auch öfters Reden. Wir werden uns nur dauerhaft verankern können, wenn wir breites belastbares Netzwerk haben, das nicht in stärkeren Belastungsphasen sofort wegen Überforderung zusammenbricht oder an Flaschenhälsen darbt.

Man kann durchaus an Wahlergebnissen vor Ort sehen, dass lokale Vernetzung klar Prozente bringen. Vernetzung generiert schlicht Gelegenheiten: Man erhält Informationen früher oder ein Journalist schreibt einen Presseartikel, weil man auf Facebook einen Post macht.

Uns fehlen derzeit zuverlässige Drähte in gesellschaftlich relevante Spieler wie Gewerkschaften, Wirtschaftsvertreter und ähnliches. Der nächste Landesvorstand muss den Experten in Themen Vertrauen entgegenbringen, sie zu Gelegenheiten zum Händeschütteln mitnehmen und muss diese Personen und ihre Vernetzung gezielt fördern. Denn Händeschütteln schafft Gelegenheiten und Vertrauen. Es ist unglaublich viel Wert, wenn man jemanden, den man um einen Gefallen bittet, schon mal die Hand geschüttelt hat.

Wir Piraten haben in Bayern unsere Chance liegen gelassen uns im Hype gut zu vernetzen und damit Chancen vertan. Denn genau diese Netzwerke sorgen für Einladungen auf Podien. Genau diese Netzwerke sorgen für Öffentlichkeit. Genau diese Netzwerke machen unsere Personen bekannt und mit ihnen unsere wirklichen Positionen und die Sympathie, die unsere Mitglieder tragen können.

Immer wieder wenn ich mir die Wahlanalyse genau anschaue, mich frage was gut und was schlecht gelaufen ist, dann komme ich darauf, dass wir offenkundig nach außen unglaublich schlecht vernetzt sind.

Zum Teil scheint hier auch einfach der Instinkt bei den Mitgliedern zu fehlen, gepaart mit dem fehlenden Drang zur Öffentlichkeit raus aus der Filterbubble. Nur mal zwei Beispiel aus dem Wahlkampf: In Mittelfranken saßen Piraten halbnackt in der Innenstadt. Denn vor der NSA sind wir alle nackt. Eine coole Aktion, die sich super zur Vermarktung über Social Media eignet. Trotz Nachfrage bekam ich keine Bilder. Mir schien, man hat sich keine Gedanken gemacht, wie man die Aktion verkaufen könnte. Und wer von euch hat eigentlich mitbekommen, dass wir in München einen 2000 € teuren Datenschutzkongress hatten? Und wer kann mir zeigen, was für Berichterstattung es generiert hat? Warum waren so wenige gleichgesinnte Organisationen anwesend? Warum nicht der Datenschutzbeauftragte der Landesregierung? Aus der Ferne hätte ich gesagt: Mitten im Wahlkampf hat man eine parteiinterne Bespaßung gemacht.

Piraten scheinen sehr oft der Meinung zu sein: “Wir sind eine Partei, wir machen etwas, dann kommen die Menschen und die Presse und die Öffentlichkeit schon von ganz alleine.” Das funktionierte im Hype auch super. Danach kommt aber der Kater und da läuft es nicht. Liebe Piraten, face it: Wir sind irrelevant. Und deswegen wird ein guter Teil unserer Arbeit sein, uns interessant und relevant zu machen. Wir müssen das in die Planung von Events einbeziehen, wir müssen lernen, unser Tun besser zu verkaufen und zu bewerben. Marketing ist kein Teufelszeug sondern notwendiges Mittel. Und Vernetzung auch, denn dann kann man diese Netzwerke nutzen um so ein Event auch mal zu pushen, gute Referenten und Multiplikatoren zu begeistern.

Das es bei uns derzeit nicht funktioniert, ist eben kein Wunder und keine Weltverschwörung. Wir sind schuld. Wir haben es sträflich vernachlässigt solche Netzwerke zu bilden. Wir machen verdammt viele gute Sachen, vergessen aber das Marketing dafür frühzeitig und Rechtzeitig einzuplanen und als Teil der Aktion zu verstehen. Wir machen hier grundlegende und massive Fehler und beherrschen wichtige Handwerkzeuge der Politik nicht. Das müssen wir besser machen. Und zwar alle.

Mit einer guten Vernetzung können wir viele Probleme, die in diesem Wahlkampf uns behindert haben, in Stärken wandeln oder zumindest abmildern:

1a) Programm – wird bekannter, vor allem bei Multiplikatoren der Gesellschaft

1b) Image – wird relativiert und nachhaltig verbessert. Umso mehr Menschen Piraten aus Fleisch und Blut kennen, umso weniger werden sie sie Chaoten nennen.

1c) Personal – werden zu Zugpferden nach außen und können dann eine Kampagne zum Erfolg tragen

2a) Engagierte Mitglieder – werden durch Vernetzung eher motiviert und vor allem in die Partei gezogen. Denn nichts bringt mehr neue Mitglieder als persönlicher Kontakt.

2b) Geld – Gerade hier nutzen die großen Player wie CSU und SPD ihre Vernetzung in die Gesellschaft gnadenlos. Vernetzung bringt Spenden. Auch dafür gibt es ein Beispiel im Wahlkampf aus Regensburg. Dort wurden Plakate übernommen.

2d) Öffentlichkeitsarbeit – viele mit der Presse vernetzten Mitglieder schaffen Gelegenheiten. Die natürlichen Zugpferde im Vorstand müssen andere mit sich ziehen und ihnen einen höheren Vernetzungsgrad ermöglichen und den daraus resultierenden Erfolg gönnen. Wenn sie zu Redaktionsgesprächen fahren, sollten sie andere Mitglieder, die für den Termin passen, dabei haben. Wenn die auf Podien eingeladen werden, sollten sie auch mal Experten vorschicken – oder sie zumindest mitnehmen.

Wenn man mich fragt, warum wir über den Status der Zwei-Prozent-Partei nicht hinaus kommen, dann sage ich: Es liegt an der fehlenden Vernetzung außerhalb unserer natürlichen Filterbubble. Denn nur so können wir unsere Lösungen für die Probleme dieses Landes – die wir ja haben – vermitteln und andere Menschen für diese Lösungen begeistern. Vernetzung ist die Grundlage für politischen Erfolg und der nächste Vorstand muss dringend den Vernetzungsgrad aller erhöhen, dazu ermuntern, beistehen, Spezialisierung fördern und sich vor die Mitglieder stellen, die politisch arbeiten und sich Vernetzen.

Wenn man mich fragt, wie wir ein besseres Ergebnis einfahren hätten können, dann ist für mich klar: Wir hätten mehr Kaffee trinken gehen müssen.

Nun gut, wir haben jetzt 5 Jahre Zeit es besser zu machen. Und das mit dem Koffein sollte uns doch eh liegen.

Edit: Bevor ich es vergesse. Weder die fehlende SMV noch die NSA-Affäre waren schuld an zwei Prozent. Die SMV interessiert eigentlich eh nur unsere Filterbubble und die NSA-Affäre war vielleicht ein Elfmeter, aber in der Kreisliga, beim Spielstand von 11:0. Das Thema hat nicht verfangen und alle Parteien, die hier gegen Überwachung stehen haben bei der Wahl verloren. Darüber hinaus haben wir zumindest bei diesem Thema Richtung Tor geschossen, weil wir hier Netzwerke hatten und wir bei diesem Thema vorkommen konnten. Wir haben andere Themen weit schlechter verkauft



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